Gastgeber*innen während der Förderung
| Prof. Dr. Marco Prinz | Medizinische Fakultät, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Freiburg |
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| Prof. Dr. Marc Timmers | Medizinische Fakultät, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Freiburg |
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| Beginn der ersten Förderung | 01.03.2021 |
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Projektbeschreibung der*des Nominierenden
| Von der Arbeiterin zur Königin
In einem Ameisenstaat herrscht große Vielfalt. Königin, Soldaten und Arbeiterinnen bilden verschiedene Kasten und können sich stark in Aussehen und Verhalten voneinander unterscheiden – und das, obwohl alle Individuen die gleichen Gene besitzen. Nicht die Gene selbst verursachen folglich die Unterschiede, sondern ihre Steuerung über sogenannte epigenetische Markierungen im Erbgut. Diese steuern die Aktivität von Genen und spielen so für die Ausbildung unterschiedlicher Verhaltensweisen und Äußerlichkeiten eine zentrale Rolle.
Ameisen sind also für die Erforschung der epigenetischen Steuerung im Gehirn ideale Untersuchungsobjekte. Roberto Bonasio hat das Erbgut der Ameisenart Harpegnathos saltator mit einer sehr hohen Genauigkeit entschlüsselt. Die Art hat sich seitdem zu einem Modellorganismus entwickelt, an dem Forschende die Auswirkungen epigenetischer Veränderungen untersuchen können.
Harpegnathos saltator kommt in Indien vor und wird zwei bis drei Zentimeter lang. Die Tiere leben in kleinen Kolonien mit einer Königin, die sich zwar äußerlich nicht sehr von den anderen Mitgliedern der Kolonie unterscheidet, dafür aber im Verhalten. Ausgewachsene Harpegnathos-Arbeiterinnen haben die unter Ameisen seltene Fähigkeit, sich in sogenannte Pseudo-Königinnen umzuwandeln. Sie verhalten sich dann wie echte Königinnen, legen Eier und leben länger. Bonasio und sein Team können diese Verwandlung im Labor künstlich anstoßen und so die veränderte Genaktivität der Tiere analysieren.
Auf diese Weise können die Forschenden die epigenetischen Markierungen, Transkriptionsfaktoren – Proteine, die die Aktivität von Genen steuern – und neuronalen Botenstoffe untersuchen, die für diesen Kastenwechsel verantwortlich sind. Sie haben hunderte von Genen identifiziert, die bei der Umwandlung von Arbeiterinnen in Pseudo-Königinnen im Gehirn der Tiere ihre Aktivität ändern. Besonders das Gen für Corazonin, ein aus wenigen Aminosäuren bestehendes Peptid, ist dabei besonders stark im Gehirn der Arbeiterinnen aktiv. Mit einer Reihe ausgeklügelter Experimente haben Bonasio und sein Team damit nachgewiesen, dass es für verschiedene Verhaltensweisen der Arbeiterinnen verantwortlich ist, zum Beispiel die Jagd und Nahrungsbeschaffung für die Königin.
Von Pennsylvania nach Freiburg
Für diese und weitere bedeutsame Entdeckungen sowie für seine Verdienste in der Entwicklung neuer Untersuchungsmethoden erhält Roberto Bonasio den Max-Planck-Humboldt-Forschungspreis, der besonders innovative Forschende im Ausland auszeichnet. Aufgewachsen in Sesto Calende am Lago Maggiore studierte Bonasio zunächst Biotechnologie in Mailand. Nach Stationen in Harvard und an der Universität New York, leitet er seit 2014 sein eigenes Labor an der Perelman School of Medicine der Universität Pennsylvania.
Mit der Auszeichnung verbunden ist auch ein Forschungsprojekt, für das er am Universitätsklinikum Freiburg (UKF) ein eigenes Labor aufbauen wird. Gemeinsam mit dortigen Wissenschaftlern um den Neuropathologen Marco Prinz (UKF) und den Epigenetiker Marc Timmers (UKF/DKTK) will Bonasio die Umstrukturierung des Gehirns bei Individuen genauer untersuchen, die zwischen Arbeiterinnen- und Königinnenstatus wechseln. Es ist genau diese Formbarkeit des Gehirns, die den Ansatz so vielversprechend macht für Anwendungen beim Menschen. Die Erkenntnisse zur epigenetischen Kontrolle dieser Veränderungen im Gehirn könnten auch für neurologische Erkrankungen wie Alzheimer relevant sein. |